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Vor 200 Jahren begann die große Migration der Deutschen an die Ränder des Russischen Reiches. Zwischen 1816 und 1819 fand eine abenteuerliche und gefährliche Reise in die südlichen Gebiete des damaligen Russischen Zarenreichs statt. Etwa 500 dieser Familien erreichten schließlich der heutige Südkaukasus und ließen sich im heutigen Georgien und Aserbaidschan nieder. Zar Alexander I., dessen Mutter aus Schwaben stammte, hatte sie in eine Multikulturelle Gesellschaft eingeladen. Im Jahre 1819 gründeten 130 Familien nahe der alten Handelsstadt Gändscha, die erste und zugleich größte deutsche Kolonie Aserbaidschans, die zu Ehren der Herzogin Helene von Mecklenburg-Schwerin „Helenendorf“ genannt wurde.

Man hatte die schwäbischen Siedler erwartet, denn Zar hatte mehrmals Erlasse erteilt, um ausländische Fachkräfte ins Land zu holen. Alexander I. interessierte sich besonders für Bauern und vor allem Winzer, da der Weinanbau in Russland kaum verbreitet war. Menschen aus Süddeutschland kannten sich gut damit aus und nahmen das Angebot gerne an. Ihnen wurden großzügige Bedingungen geboten: Jede Familie erhielt Land, zehn Jahre Steuerfreiheit und finanzielle Hilfe, um Haus und Landwirtschaft aufzubauen.

Die Schwaben entwickelten schnell die Viehzucht, den Ackerbau und besonders den Weinbau in der Region, was ihnen bald Wohlstand brachte. Sie waren zudem ausgezeichnete Handwerker – darunter Schumacher, Schmiede, Schneider und Tischler. Besonders berühmt wurden die Winzerfamilien Vohrer und Hummel, deren Betriebe im Russischen Imperium für hochwertige Limonaden, Bier, Cognac und Weine bekannt waren. Eine der Hauptstraßen in Helenendorf, das 1938 in „Chanlar“ und später 2008 in „Göygöl“ umbenannt wurde, trägt heute den Namen Christian Hummels.

 

Street in Helenendorf.png
Von Autor/-in unbekannt - С. Зейналова. Немцы на Кавказе. Баку. 2008, Gemeinfrei, Link

Schon 1823 wurde in Helenendorf eine Schule eröffnet, 1832 folgten eine Steinkirche und ein Pastorat. Die erste Kirche aus Stein, die Johanniskirche, wurde 1857 ggebaut und ist noch heute ein Wahrzeichen des heutigen Göygöl.

Kirche in Annenfeld.jpg
Von Asif Masimov - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts expandierte die deutsche Siedlung Helenendorf stark, was zur Gründung weiterer Dörfer wie Georgsfeld, Mekseevka, Grünfeld und Traubenfeld führte. Während der Demokratischen Republik Aserbaidschan (1918-1920) feierte Helenendorf sein 100-jähriges Bestehen, und die deutsche Gemeinde umfasste etwa 13.000 Menschen. Lorenz Kuhn vertrat sie im Nationalrat von Baku. Helenendorfs wirtschaftliche Entwicklung spiegelte sich auch im technischen Fortschritt wider: 1912 erhielt es als erstes Dorf im Kaukasus Elektrizität und ab 1916 ein funktionierendes Telefonnetz.

Am 9. Juni 1919 feierte die Demokratische Republik Aserbaidschan das 100-jährige Jubiläum der Ansiedlung der Deutschen im Land. In einer Rede im Parlament betonte Lorenz Kuhn die engen, stets respektvollen Beziehungen zwischen den deutschen Siedlern und der aserbaidschanischen Bevölkerung. Er hob hervor, dass die Deutschen optimistisch in ihre Zukunft in Aserbaidschan blicken und überzeugt sind, ihre kulturelle Identität und friedliche Lebensweise fortzuführen und zur Entwicklung des freien Aserbaidschans beizutragen.

Als der zweite Weltkrieg ausbrachte, standen die deutschen Minderheiten unter besonderer Beobachtung. Am 8. Oktober 1941 ordnete Stalin die Umsiedlung der Deutschen aus Aserbaidschan, Georgien und Armenien an. Die Verbannung dauerte Jahrzehnte: Erst am 08. September 1955, nach einem Besuch des deutschen Kanzlers Adenauer in Moskau, wurden erste Beschränkungen aufgehoben. Die Rückkehr in ihre Heimat blieb jedoch lange verboten. Ab 1964 erkannte die sowjetische Regierung die Umsiedlung als Fehler an, und erst 1972 wurden alle Einschränkungen für die Wahl des Wohnorts aufgehoben.

Die Geschichte der deutschen Einwanderung nach Aserbaidschan zeigt die Herausforderungen und Errungenschaften einer Gemeinschaft, die über Jahrhunderte hinweg gewachsen ist. Trotz schwieriger Zeiten, insbesondere während des Zweiten Weltkriegs, haben die Deutschen in Aserbaidschan wichtige Beiträge zur Gesellschaft und Wirtschaft geleistet.

Anfart

Um Göygöl von Baku aus zu erreichen, muss man etwa 350 km zurücklegen, was in der Regel mit dem Auto oder Bus erfolgt. Man kann auch mit dem Zug bis Gändscha fahren und von Gändscha ist der Weg nach Göygöl nur 10 km. Zudem fahren stündlich Busse vom südlichen Busbahnhof in Gändscha nach Göygöl. Vor Ort kann man ein Taxi zum Göygöl-See bestellen, das einen hinbringt und auch wieder abholt.

In Göygöl gibt es einiges zu entdecken:

  • Lutheranische Kirche: Eine schöne Kirche aus dem Jahr 1857, die für ihr rotes Stein-Design bekannt ist;
  • Weinkeller von Helenendorf: Historische Weinkeller aus dem 19. Jahrhundert, wo die Weinproduktion erklärt wird;
  • Göygöl-Geschichtsmuseum: Ein Museum, das die deutsche Geschichte und Kultur der Stadt zeigt;
  • Flaggenplatz: Hier hat man einen tollen Blick auf die Stadt;
  • Göygöl-Moschee: Ein Beispiel islamischer Architektur mit schönen Verzierungen;
  • Nationalpark: Etwa 20 km entfernt gibt es Wanderwege und atemberaubende Seen Göygöl und Maralgöl.
 

Benutzte Quellen: https://www.baku-media.ru/publications/traditsii/istoriya/pereselenie-narodov-nemtsy-v-azerbaydzhane/

„Helenendorf“. Deutsches Erbe von Aserbaidschan

 

Titelbild: Ludvig14CC BY-SA 4.0


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